Dass Deutschland moderne Register braucht, um Bürger:innen und Unternehmen präzisere Entscheidungen und schnellere Reaktionszeiten zu ermöglichen, darüber sind sich alle einig. Dazu gehören einerseits automatisierte Datenflüsse im öffentlichen Sektor, andererseits ein reibungsloser Datenzugriff und Datenaustausch zwischen Behörden. Nur so wird es Deutschland gelingen, mit den Digitalisierungsbestrebungen in der EU Schritt zu halten und auch in Zukunft ein attraktiver Wirtschaftsstandort zu bleiben.
Das Registermodernisierungsgesetz (RegMoG) von 2021 sieht die Vernetzung der staatlichen Register und die Vereinheitlichung der Antragsbearbeitung innerhalb der Behörden vor. Die Ziele sind vergleichbar mit denen, die wir in Finnland durch unser Projekt mit der Sozialversicherungsanstalt KELA erleben: Ab 2025 sollen unterschiedliche Sozialleistungen mit einem einzigen Formular beantragt werden können – vorerst beginnend mit Wohn- und Arbeitslosengeld. Voraussetzung dafür ist eine Plattform auf der Basis von Personenidentifikationsnummern zur eindeutigen Identifizierung jeder Person und zur sicheren Verwaltung personenbezogener Daten.
Fragmentierte Systeme, Datenschutzbedenken und Rechtsgrundlagen
Auch Deutschland hat das Potenzial für solche nahtlosen Leistungspakete, allerdings ist die nach wie vor dezentrale Datenhaltung ein wesentliches Hindernis. Anders als in Finnland werden Daten nur in einzelnen Behörden gespeichert; ein institutionenübergreifender Austausch findet nicht statt. Wer eine Geburts- oder Sterbeurkunde, eine Heiratsurkunde oder eine Gewerbeanmeldung beantragen will, muss sich die Informationen zunächst über unterschiedliche Portale zusammensuchen.
Hinzu kommt, dass sich die Bevölkerung datenschutzbedingt gegen eine zentrale Datenerfassung wehrt. So gibt es Bedenken, was es für die Privatsphäre bedeutet, eine persönliche Identifikationsnummer, die DeutschlandID, einzuführen.
Bürger:innen und Unternehmen sollen selbstbestimmt mit ihren Daten umgehen, auf deren Richtigkeit vertrauen und sich vor Missbrauch schützen können.
Dazu kommt die Komplexität der föderalen Struktur. Der Rechtsrahmen in Deutschland ist durch mehrere Ebenen von Bundes-, Landes- und kommunalen Regelungen gekennzeichnet, was die Einführung eines zentral verwalteten Registersystems zwar erheblich erschwert, aber nicht als generelles Modernisierungshindernis angesehen werden sollte.
Zentraler Datenaustausch, Vertrauen und Unterstützung durch die Gesetzgebung
Trotz dieser offensichtlichen Systemunterschiede sind einige der technischen und organisatorischen Ansätze aus Finnland auch auf Deutschland übertragbar. Die Modernisierung des finnischen Meldewesens ist vor allem den sogenannten X-Road Open Source Interoperabilitätsdiensten zu verdanken, die – gemäß dem Once-Only-Prinzip – einen sicheren und standardisierten Austausch zwischen verschiedenen staatlichen Datenbanken ermöglichen. Mit der Einführung des National-Once-Only-Technical-System (NOOTS) geht nun auch Deutschland einen ähnlichen Weg – ein entscheidender Schritt, um eine reibungslosere Interoperabilität zwischen den fragmentierten Systemen zu schaffen.
Diese X-Road-Technologie ist andererseits auch die Grundlage für das Vertrauen der finnischen Bürger:innen in die öffentliche Verwaltung. Deshalb können beispielsweise Steuererklärungen automatisiert erstellt werden.
Angaben zu Wohngeldanträgen und anderen steuerpflichtigen Einkünften erscheinen automatisch – die Bürger:innen prüfen die Werte lediglich auf Richtigkeit und ergänzen sie gegebenenfalls.
In Finnland wird die Integration und Übermittlung personenbezogener Daten seit jeher durch einen staatlichen Rechtsrahmen unterstützt. Hier ist es nach Auskunft unserer finnischen Kolleg:innen die Regierung, die die zentralen Register unter den strengen Datenschutzrichtlinien der EU überwacht. Mit anderen Worten: Die digitale Transformation wird von den Behörden selbst getragen und vorangetrieben.
Es gibt wenig zu verlieren: Viel zu gewinnen
Wir bei Gofore sehen in Finnland deutlich, dass die Registermodernisierung auf rechtlichen Grundsätzen, einem hohen Maß an Transparenz und Bürgerbeteiligung basiert, was sich in einem gestärkten Vertrauen widerspiegelt. Wenn ich Finnland betrachte, ist der öffentliche Sektor wirklich menschenorientiert – genau so, wie es in unserem Buch „Die Digitale Gesellschaft“ beschreiben wird.
In Finnland basiert die Registermodernisierung auf rechtlichen Grundsätzen, einem hohen Maß an Transparenz und Bürgerbeteiligung.
Ich bin davon überzeugt, dass wir das, was wir in Finnland mit unseren Designteams in agiler Zusammenarbeit mit den öffentlichen Auftraggebern erreichen, auch in Deutschland umsetzen können. Wir verstehen es, mit nachweisbarem Erfolg alte Denkmuster aufzubrechen, Ängste abzubauen und Vertrauen in neue Ansätze zu schaffen.
Die Digitalisierung einzelner Register und ihre anschließende Vernetzung auf nationaler Ebene könnte der Beginn eines einheitlichen Ökosystems sein, in dem personenbezogene Daten sicher verwaltet, von den Nutzer:innen selbst rund um die Uhr abgerufen und mit entsprechender Zustimmung weitergegeben werden können.
Fabian Schiller
Digitale Gesellschaft
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