Woran können Sie feststellen, dass Ihr Unternehmen agil ist? Wie fragt man die Führungsebene, ob ihr Unternehmen agil ist?
Von klein zu groß
Es gibt massenhaft Möglichkeiten, wie man die Agilität innerhalb eines Teams messen kann; Abarbeitungsgeschwindigkeit (Velocity), Burndown, geplante vs. abgearbeitete Arbeitspakete (Planned vs. Actual), begonnene Arbeitspakete (Work in Progress), DevSecOps, etc. All diese Messungen haben das Ziel, die langfristige Kapazität und Qualität der Arbeit eines Teams abzuschätzen und zu verbessern.
Wenn wir allerdings weitgreifende Agilität auf Organisationslevel ansteuern wollen, müssen wir erst einmal einen Schritt zurück gehen. Die Grundidee eines Unternehmens ist es, einen deutlichen Mehrwert für seine Interessensvertreter zu kreieren. Daher müssen wir unsere Aufmerksamkeit weg vom „WIE“ und hin zum „WAS“ bewegen. Agilität soll vor allem die Entscheidungen-treffen-und-lernen-Schleife beschleunigen. Die „Decision Driven Organization“ des Harward Business Reviews 06/2010 beschrieb einen Schnelltest für die Effektivität von Entscheidungen, welche die agile Herangehensweise treffend beschreibt:
- Qualität: Sie haben, rückblickend auf schwierige Entscheidungen, meistens den richtigen Weg gewählt.
- Geschwindigkeit: Sie treffen kritische Entscheidungen viel schneller als die Konkurrenz.
- Ergebnis: Sie setzen kritische Entscheidungen meist wie geplant um.
- Bemühung: Sie gehen mit dem richtigen Maß an Anstrengung an das Treffen und Ausführen von schwierigen Entscheidungen heran.
Agile Führung
Ohne Führung verwandelt sich ein Unternehmen schnell zu einer ad-hoc Hölle. Auch wenn es agil ist, braucht es dennoch eine Strategie und eine langfristige Vision. Gleichzeitig sollte aber mittelfristige Planung umgangen werden, damit es nicht zu einer Art Management kommt, bei der langfristige Visionen und kurzfristige Agilität verloren gehen. Mittelfristige Planung ist eine Verschwendung.
Bei der agilen Arbeitsweise ist in Ordnung, wenn etwas nicht funktioniert. Aus Fehlern kann man lernen. Agilität hat eine wissenschaftliche Herangehensweise: Hypothese, Test, Analyse und folglich die Entscheidung, so weiterzumachen, oder den Kurs zu ändern. Es können auch mehrere Hypothesen gleichzeitig betrachtet werden, anstatt sich nur an der ersten Idee festzuhalten. Trauen Sie sich, mehrere Strategieänderungen gleichzeitig zu starten und nach einer Weile die, die nicht funktionieren, wieder zu stoppen. A/B-Tests sind eine schnelle Möglichkeit zu lernen.
Lean Management
Bürokratie kann jede Lücke füllen. Bürokratische Manager werden immer einen neuen Weg finden, zu messen, zu managen und zu kontrollieren. Bürokratie hat noch kein Unternehmen besser gemacht.
Bürokratie lebt von der Angst vor dem Ungewissen, aber wird das Ungewisse nie aus dem Weg räumen.
Ungewissheit ist ein Nebenprodukt von Komplexität. Indem Informationen transparent kommuniziert und das Treffen von Entscheidungen nah an den betreffenden Prozessen geschieht, ist es möglich, Bürokratie und Ungewissheit zu verringern. Wie im Scaled Agile Framework erwähnt, basiert fortlaufendes Lernen auf schonungslosen Verbesserungen, welche faktenbasiert sind und so dafür sorgen, dass sich die Effektivität nicht nur in Teilbereichen verbessert, sondern im gesamten System.
Im Management geht es darum, Entscheidungen zu treffen – und harte Entscheidungen zu treffen ist schwierig. Ein schwacher Manager macht eher eine lange Liste von Dingen, die abzuarbeiten sind. „Erst fokussieren wir uns hierauf, dann darauf, und hier halten wir uns auch noch Optionen offen“. Das ist nicht nur ein schwacher Weg Entscheidungen zu treffen, sondern auch eine Verschwendung von Energie. Ein starker Manager führt eine einzige Sache auf. „Wir fokussieren uns hierauf und sagen ‚Nein!‘ zum Rest“. Bei der agilen Denkweise legt man das Augenmerk eine Weile auf das, was am wichtigsten ist – dann wird reflektiert und daraus gelernt.
Komplexe Unternehmen
Reduktionismus heißt, ein großes Problem in kleinere Teile zu zerlegen, diese kleineren Probleme zu lösen, und am Ende alles wieder zusammenzusetzen. Das funktioniert in einer simplen Umgebung. Dennoch ist die Annahme, dass frühere Erfahrungen in der Zukunft zu entschlosseneren Lösungen führen, nur für ein geordnetes System zutreffend. Mit genügend Daten lässt sich zwischen allem eine Korrelation herstellen – „Menschen ertrinken eher, wenn sie viel Eis essen“. Das beweist aber keine Kausalität. Probleme entstehen dann, wenn Arbeit auf falschen Annahmen aufgebaut wird. In einer komplexen Umgebung braucht es Probeläufe, bei denen das System in seine Bestandteile aufgespalten wird, um diese und ihre Interaktionen zu studieren, bevor ein ganzheitliches Model des Systems kreiert werden kann. Das Model des Situationsbewusstseins hilft bei dieser systemischen Entscheidungsfindung.
Geringe Investitionen können in einem ausgeglichenen Portfolio zu Safe-to-Fail („schadloses Versagen“) Experimenten gemacht werden, bevor man mehr Ressourcen aufwendet. Traditionelle Unternehmensführung lässt sich nicht mit einer agilen Denkweise, und ein traditionelles jährliches Budget nicht mit dem Fail-Fast („schneller Abbruch“) Prinzip vereinen. Dennoch können während des Prozesses agile Entscheidungen getroffen werden, was das Budget betrifft.
Agile Resilienz
Selbst eine agile Organisation benötigt die Möglichkeit, schnell die Pläne zu ändern, wenn sich eine positive Chance ergibt, oder ein negatives Risiko absehbar wird. Das bedeutet, dass der laufende Prozess gestoppt, neu geplant und dann fortgesetzt wird. Solange die langfristige Strategie weiterhin realisierbar ist, reicht es, wenn nur die aktuellen Prozesse erneuert werden. Es ist möglich, schnelle Entscheidungen zu treffen, wenn sie nur die kurzfristigen Ziele betreffen.
Wenn es plötzliche Änderungen gibt, so tendiert ein schwacher Manager dazu, alles von den langfristigen Strategien, über die mittelfristigen Pläne, bis hin zu den kurzfristigen Aktionen neu zu planen. Das ist langsam, liederlich und nutzlos. Wenn unerwartete Änderungen auftreten, dann müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden. Das ist ein Zeichen von Resilienz. Schnelle Entscheidungen öffnen die Tür für sich unerwartet ergebende Möglichkeiten und schützen vor überraschenden Risiken.
Agile Berechenbarkeit
„Embracing Agile” vom Harvard Business Review 05/2016 sagt: „Einige ausführende Kräfte scheinen Agilität mit Anarchie zu verwechseln“. Obwohl sich ein agiles Unternehmen schnell anpassen kann, ist der Grundstein trotzdem eine langfristige Vision. Oft resultiert daraus eine kurzfristige Roadmap, welche die Kunden nutzen können, um ihre eigenen Aktivitäten zu planen. Außerdem verhindert diese, dass sich einzelne Teams vom großen Ganzen abspalten. Eine Vision und die eine Roadmap öffnen die Tür für dezentralisierte Entscheidungsfindung, wobei dennoch alle Parteien auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
Agile Checkliste
- Eine transparente Vision.
- Die nahe Zukunft ist in einem Backlog nach Priorität geordnet.
- Die meiste Zeit wird für die obersten Einträge des Backlogs benutzt.
- Die Messungen sind transparent und bieten den Akteuren einen zusätzlichen Mehrwert.
- Automatisierung wird angestrebt und ein effektiver DevOps läuft.
- Kontinuierliches Ausbauen der Möglichkeiten, den verschiedenen Akteuren einen Mehrwert zu liefern.
- Die Mitwirkenden fühlen sich sicher und vertrauen einander.
- Die Mitwirkenden starten eigene Initiativen. Die Schwarmintelligenz bringt neue Geschäftschancen hervor.
- Die Fähigkeit schwierige Konversationen zu führen.
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