Ich erinnere mich an einen Kurs in der Handelsschule, bei dem wir Studenten, obwohl wir uns fast alle gänzlich unbekannt waren, zwei Tage bei einer außerhäuslichen Bildungsmaßnahme verbrachten. Am Ende des ersten Tages hatten wir die Möglichkeit, den Abend bei gutem Essen und (ein paar) Drinks ausklingen zu lassen. Während dieser Zeit lernten wir uns alle besser kennen und hatten eine Menge Spaß. Obwohl wir am nächsten Tag natürlich alle sehr müde waren, lösten wir die Gruppenaufgaben trotzdem viel produktiver und kreativer als am Vortag. Unser Professor verriet uns später, dass dieses Vorgehen Absicht gewesen war, um uns zu verdeutlichen, wie wichtig Beziehungen innerhalb von Unternehmen und Teams sind. Seit diesem Erlebnis bin ich sehr interessiert an Beziehungsarbeit und Teamdynamik.
Werte einer Beziehung: Offenheit und Vertrauen
Während dieser speziellen Zeit der COVID-19 Pandemie ist es offensichtlich nicht mehr so einfach, Beziehungen am Arbeitsplatz zu pflegen, wie es normalerweise mit persönlichem Kontakt wäre. Wenn wir isoliert arbeiten, dann ist es einfach sich vor allem auf seine Aufgaben zu konzentrieren (schuldig im Sinne der Anklage…), anstatt auf den Aufbau und das Erhalten von Beziehungen. Aber am Ende verlangen vor allem Zeiten wie diese Offenheit und Vertrauen. Unternehmen und Teams müssen den Wert davon erkennen.
Ist es überhaupt möglich, bessere Beziehungen nur über virtuelle Medien aufzubauen? Ich glaube ja, schließlich passiert es im Internet ständig, dass Menschen sich aufgrund von gleichen Interessen und Zielen kennenlernen. Ein gutes Beispiel ist die online Gaming Community, in welcher sind enge Freundschaften bilden, obwohl die Mitglieder über die ganze Welt verteilt sind und sich oft nicht einmal persönlich treffen können. Außerdem gibt es noch weitere Beispiele, die ähnlich sind. Obwohl Onlinespiele sich von einer strikt professionellen Umgebung unterscheiden, gibt es doch Gemeinsamkeiten – beispielsweise die Dynamik der Gruppenarbeit, denn ein gut funktionierendes Team hat oft auch ein hohes Level an Vertrauen.
Schaffen und pflegen Sie Ihre (professionellen) Beziehungen in einem virtuellen Raum
Hier sind einige Gedanken und Tipps, die helfen können, (professionelle) Beziehungen in einer virtuellen Basis aufzubauen und zu pflegen. Diese Erfahrungen stammen vor allem von den Teams, mit denen ich in letzter Zeit online zusammengearbeitet habe.
- In Meetings ist es nützlich, die Kamera einzuschalten. Es ist bekannt, dass sehr viel Kommunikation über die Körpersprache stattfindet, deshalb müssen wir uns daran gewöhnen, die Kamera zu nutzen. Ein Blick in die Augen des Gegenübers lässt uns wissen, ob wir uns einig sind, und ein Daumen-hoch bestätigt uns das. Und nein, es spielt keine Rolle, ob es gerade ein Bad-Hair-Day ist, denn die meisten andere Leute haben das Problem auch.
- Von Zuhause aus zu arbeiten, eröffnet uns die Möglichkeit, persönliche Dinge mit unseren Kollegen zu teilen. Beispielsweise könnte man die Chance ergreifen und seine Familienmitglieder vorstellen, oder interessante Fakten über das eigene Hobby teilen. Das Zeigen von den liebsten Fotos ist ein idealer Eisbrecher, oder man kann „aus Versehen“ etwas Interessantes im Kamerabild platzieren. Sich zu öffnen hat meist den Effekt, dass auch das Gegenüber sich öffnet.
- Halten Sie Teams lieber klein. Die meisten Leute fühlen sich wohler in Gruppen mit „Familiengröße“, also zwischen 3-7 Personen. Wenn das nicht möglich ist, versuchen Sie die das Team in kleinere Gruppen zu spalten, um an spezifischen Problemen oder Aufgaben zu arbeiten (immerhin ist es online einfach, dafür den Raum zu finden). Besprechen Sie die Ergebnisse am Ende in der großen Gruppe.
- Reservieren Sie Zeit für Smalltalk in der Agenda. Im Büro formen sich die stärksten Beziehungen bei der Kaffeemaschine und auf dem Weg zum nächsten Meeting. Starten Sie virtuelle Zusammenkünfte deshalb 10-15 Minuten im Voraus, um noch Zeit zu haben, sich und Ihre Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen. So bieten Sie die Möglichkeit, dass die Teilnehmer zwar pünktlich da sind, aber trotzdem noch Luft für eine Tasse Kaffee oder ein Sandwich haben, wobei sie sich über Neuigkeiten austauschen können. Wenn wir dafür selbst im Büro nicht zu beschäftigt sind, warum sollten wir es im Home-Office sein?
- Eine der besten Möglichkeiten, Beziehungen zu stärken, ist das gemeinsame Lernen von etwas Neuem zusammen mit dem ganzen Team. Das kann durch das Setzen von Lern- und Verbesserungszielen erreicht werden. Ein guter Weg dafür ist ein spezielles Meeting rein für diese Art von Verbesserungen (meistens auch Retrospektive genannt). Ein weiter Weg ist es in Pärchen an Problemen zu arbeiten und einfach während der Meetings „laut zu denken“.
- Erweitern Sie die Transparenz, indem Sie Ihre Fortschritte besser kommunizieren. Es dauert nur wenige Minuten, um eine Nachricht zu schicken, oder die Akteure des Projekts durch ein kurzes Telefonat auf den neuesten Stand zu bringen. Fragen Sie aktiv nach Feedback, um die aktuellen Projekte zu verbessern und bitten Sie beispielsweise jemanden, über Ihre Arbeit zu schauen, wie Sie es auch im Büro machen würden. Zerbrechen Sie sich Ihren Kopf nicht allein.
- Alles in allem sollten Sie aufrichtiges Interesse an den Leuten zeigen, mit denen Sie arbeiten, und anerkennen, wie wichtig sie sind. Versuchen Sie ihre Geschichten zu verstehen, und lassen sie Ihre verstehen. Halten Sie verstärkt Einzelmeetings mit Ihren Mitarbeitern und vergessen Sie nicht die zwanglosen „Wie geht es Dir?“-Nachrichten; ganz so, als würden sie sich beim Kaffeekochen über den Weg laufen. Auch wenn wir von Zuhause aus arbeiten, haben Menschen trotzdem das Bedürfnis gesehen und anerkannt zu werden.
In bessere Beziehungen zu investieren, kostet Zeit und Mühe, vor allem in dieser speziellen Zeit. Gerade wenn Sie in einer Führungsposition arbeiten, ist es fundamental, dass Sie den Wert von Beziehungen sehen. Bitte nehmen Sie dieses Thema mit zu Ihrem Team und besprechen, wie Sie die Situation verbessern wollen.
Bleiben Sie gesund,
Karl