Blog 4.4.2023

Die Servitization der Industrie: Vom Produkt- zum Dienstleistungsanbieter

Intelligente Industrie

Vom Produkt- zum Dienstleistungsanbieter? Die Servitization der Industrie verlangt ganzheitliches Umdenken

Die sogenannte Servitization des produzierenden Gewerbes ist ein heißes Thema – zu Recht, denn bei sinnvoller Verwirklichung verspricht dieser Trend völlig neue Wachstumschancen.

Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, den Kund:innen zusätzlich zur reinen Produktpalette ein umfassendes Servicespektrum anzubieten. Derzeit besteht die Hauptgrundlage dieser Entwicklung in der systematischeren Nutzung der den Unternehmen zur Verfügung stehenden Daten. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist das Angebot vorbeugender Wartungsmaßnahmen auf Basis von Sensormessungen. Der sinnvoll gestaltete Wandel vom Produkt- zum Dienstleistungsanbieter eröffnet Industriebetrieben eine enorme Bandbreite von Möglichkeiten.

Ein ganzheitliches Serviceangebot, das die Anschaffung von einzelnen Produkten ergänzt, verspricht Käufern Mehrwert und Verkäufern kontinuierliche Umsätze. Voraussetzung ist jedoch ein ebenso ganzheitliches Umdenken in Bezug auf Geschäftslogik und -tätigkeit. Dies betrifft sowohl den Vertrieb als auch das Management. Wie sollte ein Produkthersteller vorgehen, um zum erfolgreichen Dienstleistungsanbieter zu werden? In diesem Artikel stellen wir vier Gesichtspunkte vor, die gemeinsam eine gute Basis für den erfolgreichen Einstieg bilden.

Servitization ist ein umfassender Wandel, der bis in die Fundamente des Unternehmens wirkt

Servitization bedeutet eine ganzheitliche Transformation der Unternehmensorganisation und muss daher als solche angegangen werden. Die Änderung von Verkaufspräsentationen und Preisen reicht nicht aus, sondern Geschäftsleitung, Vertrieb, Produktion und nicht zuletzt der Kundenstamm müssen aktiv einbezogen werden. Dienstleistungen können nur dann erfolgreich angeboten werden, wenn das Unternehmen eine klare Vorstellung von den Zielen der Umstellung hat. Eine klare Definition dieser Ziele bereits in der Anfangsphase ist daher extrem wichtig.

Was genau wird angestrebt, warum und wie? Dies sollte gemeinsam überlegt und möglichst klar formuliert werden: „So wollen wir künftig sein!“ Wenn Richtung und Ziel geklärt sind, lautet die nächste Frage, wie die Strukturen, Geschäftsmodelle und Verantwortungsbereiche des Unternehmens angepasst werden sollten, um diese Ziele möglichst gut zu unterstützen. Manchmal kann dies die Änderung des gesamten Betriebskonzepts bedeuten. Das Mammutprojekt muss jedoch nicht von jetzt auf gleich durchgezogen werden. Der Beginn kann auch in kleinen Schritten erfolgen.

Servitization erfordert enge Zusammenarbeit mit den Kunden

Im Mittelpunkt jeder Dienstleistung steht der Kunde oder die Kundin. Es wird jedoch kein Mensch über Nacht vom Produkt- zum Dienstleistungskäufer, wenn der Service für ihn keinen deutlich erkennbaren Mehrwert darstellt. Letzteres lässt sich am besten dadurch erzielen, dass die Kundschaft von Anfang an in die Gestaltung des Serviceangebots mit einbezogen wird. Idealerweise ist die Berücksichtigung von Kundenwünschen und -erfahrungen − beispielsweise bei der Nutzung regelmäßig erfasster Daten − bereits in der Planungsphase möglich. Zu beachten ist jedoch, dass innerhalb desselben Kundenunternehmens jemand anders für das Abonnement der neuen Dienstleistungen zuständig sein kann als für den Einkauf der bisher gelieferten Produkte, z. B. statt des Produktionschefs die Entwicklungsdirektorin oder der Leiter der Wartungsabteilung. Das Angebot von Servicekonzepten anstelle der bisher bekannten Produkte weckt nicht automatisch Begeisterung. Bei der Konzipierung gilt es daher zu überlegen, wie der Kundschaft die Vorteile der geplanten Dienste verständlich gemacht werden können − andernfalls kann das Geschäft durch die Lappen gehen.

Service vs. Produkte: Unterschiedliche Verkaufsstrategien

Für den Vertrieb bringt die Servitization erhebliche Neuerungen mit sich. Dienstleistungen werden in anderer Weise verkauft als Produkte. Es kommt hierbei in erster Linie auf Interaktionsfähigkeit und vertrauensvolle Beziehungen an. Wer Service verkaufen will, kommt mit dem herkömmlichen Anpreisen von Produkteigenschaften nicht weit, sondern muss vielmehr ein tiefes Verständnis der Kunden und ihrer jeweiligen Geschäftsfelder mitbringen.

Die Ergebnisziele der Vertriebsabteilung sollten so gesteckt werden, dass sie den Serviceverkauf unterstützen. Eine treibende Kraft innerhalb der Organisation können Veränderungsbotschafter:innen sein, die sich aus Überzeugung für die Vermarktung von Dienstleistungen engagieren und durch ihren Erfolg andere inspirieren. Das Verkaufsteam hat entscheidenden Einfluss auf den Wert der neuen Dienste, und seine Fragen und Kommentare sollten nicht ignoriert werden. Wer im Vertrieb arbeitet, entwickelt schnell ein Gespür dafür, ob die Kundschaft zum Erwerb zusätzlicher Services bereit ist – und diese Wahrnehmung hat Auswirkungen auf die Verkaufstaktik. Von den Vorteilen der Dienstleistungen muss daher als allererstes die eigene Verkaufsorganisation überzeugt werden.

Die Frage mag aufkommen, warum mit Neuheiten werben, solange sich das bisherige Produkt gut verkauft. Sie bedeutet jedoch meistens, dass die Vorteile des neuen Angebotstyps noch nicht verinnerlicht wurden oder im Team Unsicherheit über seine Vermarktung herrscht. In manchen Fällen können gezielte Schulungen weiterhelfen. Aus langjähriger Zusammenarbeit entstandenes Verständnis der Kundenbedürfnisse sollte jedoch beim Veränderungsprozess keinesfalls ungenutzt bleiben: Erfahrene Verkaufsprofis, die den Mehrwert der Neuerungen verstehen und unterstützendes Marketingmaterial in die Hände bekommen, sind die aussichtsreichsten Erfolgsgaranten.

Besserer Service auf Basis zuverlässiger Daten

Der Weg der Industrie zum Dienstleistungssektor ist ein starker Trend, aber kein Selbstzweck. Daher sollten wir uns von Anfang an Gedanken darüber machen, warum wir diesen Weg überhaupt beschreiten. Die Servitization sollt ein klares Ziel haben und sich konsequent daran orientieren. Es ist unerlässlich, in jeder Phase – von der Ausarbeitung des Dienstes über seine Bereitstellung bis hin zur Einholung von Kundenfeedback – messbare Daten zu sammeln, um eine solide Basis für die weitere Entwicklung von Serviceangebot, Verkauf und Geschäftsabläufen zu erhalten. Auch auf die Gefahr hin, dass die gemessenen Daten die Rückkehr ans Reißbrett nahelegen.

Besteht auch in Deinem Unternehmen Interesse an der Ausweitung des Servicegeschäfts? Oder ist die Servitization bei Euch vielleicht bereits im Gange, aber mit Schwierigkeiten verbunden? Fragt uns einfach – wir helfen gerne weiter!

Für eine tiefergehende Erörterung des Themas Servitization empfehlen wir die englischsprachige Dissertation von Servicedesignerin Eija Vaittinen:

change management

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Eija Vaittinen

Eija hat einen Doktortitel in Ingenieurwesen und ist eine Service- und Unternehmensdesignerin, die ihren Kunden dabei hilft, ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Eija hat umfangreiche Erfahrung in Designprojekten, die von Großsystemen auf nationaler Ebene bis zur Entwicklung von Prozessen und Dienstleistungen für einzelne Unternehmen reichen. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit der Serviceorientierung von Industrieunternehmen, insbesondere mit der Frage, wie Kunden und ihre eigenen Mitarbeitenden bereit sind, fortschrittlichere datengesteuerte Dienstleistungen anzunehmen.

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