Blog 2.4.2024

Welchen Nutzen bringt ein digitaler Zwilling?

Intelligente Industrie

Digitale Zwillinge, sprich virtuelle Modelle physischer Objekte, sind ein vielfältiges Werkzeug für das Lebenszyklusmanagement digitaler Produkte. Der Zwilling liefert Daten zu den Funktionen des physischen Geräts und ermöglicht das Testen neuer Eigenschaften, bevor sie auf dem Gerät selbst implementiert werden. Dies resultiert in effizienterem Management der einzelnen Phasen des Produktlebenszyklus von Planung über Produktion, Einsatz, Wartung bis hin zum Recycling.

Der digitale Zwilling in verschiedenen Lebenszyklusphasen

  1. Planung und Produktentwicklung:
    • Die Nutzung digitaler Zwillinge spart bereits in der Entwicklungsphase Zeit und Kosten, da vor der Produktion eines physischen Prototypen zunächst ein virtueller erstellt wird.
    • Virtuelle Prototypen und Simulationen vereinfachen das Erproben unterschiedlicher Produktvarianten, die Bemaßung der Komponenten, die Optimierung der Leistung, die Iteration von Plänen sowie umfangreiche Testläufe. All dies zusammengenommen resultiert in höherer Produktqualität, geringeren Emissionen – und deutlichen Kosteneinsparungen. 
    • Die simultane Modellierung und Simulation von Mechanik, Elektronik, elektrischen Komponenten, Hydraulik und Software erleichtert die Planung komplexer Produkte.
    • Mit Hilfe von Simulationen kann das virtuelle Produkt in Situationen und Umgebungen entwickelt und getestet werden, in denen physische Produkttests schwierig, teuer oder gefährlich wären, beispielsweise bei der Entwicklung von Algorithmen für autonome Fahrzeuge oder der Ermittlung der Auswirkungen wechselhafter Witterungsbedingungen. 
  2. Produktionsprozess:
    • Durch digitale Simulation der Prozesse können mögliche Produktionsengpässe und Fehler, aber auch Optimierungsmöglichkeiten frühzeitig erkannt werden.
    • Der digitale Zwilling kann auch als Schulungsinstrument dienen und neuen Mitarbeitenden dabei helfen, sich vor Beginn ihrer Tätigkeit mit dem Produktionsprozess vertraut zu machen.
  3. Schulung, Fehlerdiagnose, Instandhaltung und Wartung:
    • Dank Echtzeitüberwachung von Zustand und Leistung des Produkts sind vorbeugende Wartung und Fehlerbehebung möglich. Dies wiederum minimiert Ausfallzeiten, verlängert die Lebensdauer des Produkts und optimiert seine Funktionalität.
    • Mit Hilfe des digitalen Zwillings können Probleme oder Defekte des physischen Produkts bzw. seiner Betriebsumgebung rechtzeitig wahrgenommen und diagnostiziert werden.
    • Software- und Produktaktualisierungen können am digitalen Zwilling getestet werden, bevor sie in das physische Produkt übernommen werden.
    • Digitale Zwillinge sind sichere Hilfsmittel für Mitarbeiter- und Kundenschulungen.
  4. Recycling und Entsorgung:
    • Am Ende des Produktlebenszyklus kann der digitale Zwilling zur Steuerung des Recyclingprozesses eingesetzt werden und dazu beitragen, die Wiederverwendung der Materialien zu optimieren.
  5. Kundenbetreuung und Service:
    • Digitale Zwillinge unterstützen den Kundensupport, indem sie die Fehlersuche und Problemlösung über Fernverbindungen beschleunigen.
    • Kundenspezifische Upgrades und Erweiterungen können am digitalen Zwilling ausgearbeitet und erprobt werden.
  6. Betriebsumgebung
    • Auch die Einsatzumgebung physischer Geräte kann digitalisiert werden. Dazu wird sie mithilfe von Sensorkombinationen (Lidar, Radar, Kamera, GPS) erfasst und das auf dieser Grundlage erstellte Modell beispielsweise mit Open-Source-Daten, Gebäudedatenmodellen und sensorbasierten Umgebungsinformationen vervollständigt.
    • Die Umgebungsdaten können mit Simulationstools kombiniert werden, um virtuelle Betriebsumgebungen zu erstellen und verschiedene Szenarien zu generieren, etwa zur Funktionsverbesserung autonomer Fahrzeuge.
  7. Dokumentation und Verlaufsinformationen:
    • Über den Lebenszyklus des digitalen Produkts hinweg kann ein digitaler Informationsstrang gebildet werden, der sämtliche Produktdaten enthält. Er bietet schnellen Zugriff auf aktuelle Lebenszyklusinformationen wie Planungsdokumentation, Fertigungs- und Komponenten sowie Aktualisierungs- und Wartungsinformationen.

Der Nutzen digitaler Zwillinge für das Lebenszyklusmanagement von Produkten liegt in besserer und schnellerer Planung, präziser Fehlerdiagnose und vorbeugender Wartung. Darüber hinaus erleichtern sie die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams und Abteilungen in den individuellen Lebenszyklusphasen.

Einsatzzwecke digitaler Zwillinge in verschiedenen Branchen

Die Anwendungsgebiete und -möglichkeiten digitaler Zwillinge wachsen kontinuierlich. Schon jetzt kommen sie in zahlreichen Industriezweigen zum Einsatz, darunter:

  • Bewegliche Maschinen (Traktoren, Autos, Forst- oder Bergbaumaschinen)
  • Produktionsstätten und industrielle Anwendungen (Prozess, Fertigung, Lieferketten, Wartung)
  • Gesundheitswesen (Patientenüberwachung und -versorgung)
  • Bauwesen und Gebäudemanagement (Gebäudeautomation, Überwachung und Regulierung des Energieverbrauchs, Lebenszyklusmanagement)
  • Umwelt (Bergwerke, Äcker, Wälder, Smart Cities)

Digitale Zwillinge sind bereits seit einigen Jahren ein Begriff, aber die jüngsten Fortschritte in Bezug auf Grafikprozessoren, künstliche Intelligenz, Gaming-Technologien und Softwareplattformen haben ihre Popularität rasant beschleunigt und mit zunehmender Verbreitung von Virtual- und Augmented-Reality-Technologien wird ihr Potenzial auch künftig weiter wachsen. 

Digitale Zwillinge verändern unseren Blick auf die physische Welt und unser Handeln. Ihre Einsatzmöglichkeiten – etwa zur Optimierung von Fertigungsprozessen, Vorhersage des Klimawandels oder Verbesserung der Teamarbeit in Remote-Arbeitsumgebungen – sind nahezu unbegrenzt. Sie beeinflussen auch unsere Planungs- und Verhaltensweisen sowie die Interaktion mit unserer Umgebung. Um das Potenzial digitaler Zwillinge voll auszuschöpfen, benötigen wir jedoch nicht nur technologische Innovationen, sondern auch Zusammenarbeit, Standardisierung und die Verpflichtung zu Datenkonformität und -sicherheit.

Um das Beste aus digitalen Zwillingen herauszuholen, reicht es nicht, der physischen Welt eine digitale Schicht hinzuzufügen. Stattdessen sollten Unternehmen den gesamten digitalen Lebenszyklus ihrer Produkte berücksichtigen und die Digitalisierung in ihr gesamtes Geschäftsmodell integrieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Einsatz digitaler Zwillinge die Art und Weise verändert, in der wir komplexe Systeme und Prozesse entwerfen, konstruieren und verwalten. Durch Virtualisierung, Simulation und Datenanalyse eröffnet der digitale Zwilling neue Möglichkeiten für Produktinnovation, Optimierung und das gesamte Lebenszyklusmanagement.

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Petri Ingalsuo

Business Director, Intelligent Machines

Petri arbeitet als Business Director für den Bereich Intelligente Maschinen bei Gofore. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Produktentwicklung und Produktion mobiler Maschinen sowie in der Arbeit an der Kundenschnittstelle. Zuvor war er u.a. als Softwareentwickler und -architekt, Projektmanager, Produktionsleiter und Bereichsleiter tätig.

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